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EFA – Vertrieb aus dem Paradies

Wie abhängig auch autarke Indiebands von den großen Bewegungen im Musikmarkt sind, mussten ASP 2004 schmerzlich erfahren. Der Independent-Vertrieb EFA meldete Insolvenz an. Alle Veröffentlichungen von ASP verschwanden in der Insolvenzmasse. Doch ASP ließen und lassen sich nicht unterkriegen. Am Ende des Jahres veröffentlichen sie die alten Alben neu und starten noch mal durch.

 

Die Meldung mag ein Musikhörer am Rande mitbekommen haben, doch bei ASP schlug sie ein wie eine Bombe. Das könnte es gewesen sein für ASP. Für immer.

Im Buch "Horror Vacui" gewährt Asp einen Blick hinter die Kulissen:

»Im Jahre 2004 erwischte es uns, genau wie viele geschätzte Kollegen, kalt und ohne Vorwarnung. Deutschlands größter Independent-Vertrieb EFA war pleite. Davon war auch unser Label betroffen und indirekt natürlich auch wir. Ab diesem Zeitpunkt steckten alle ASP-Tonträger in der Konkursmasse fest und trotz allerschnellster Reaktion unseres Labelbosses wäre fast alles vorbei gewesen. Mit den geschäftlichen Einzelheiten soll an dieser Stelle keiner gelangweilt werden, das sind Dinge, die gehören unserer Meinung nach nicht in die Öffentlichkeit der Schönen Künste und sind für den Musik-Fan eher störend als interessant.
Aber um den Lauf der Geschichte zu erläutern ist es wichtig, eine sehr einfache Rechnung aufzustellen:
Kein CD-Verkauf = Keine Einnahmen
Das bedeutet für Bands und Kleinlabels, die aufgrund ihrer Liebe zur Musik arbeiten und keine fetten finanziellen Polster aufzehren können, natürlich binnen weniger Wochen schon das Aus. Nicht, dass irgendjemand nun behauptet, wir würden mit unseren Tonträgern einen Gewinn erwirtschaften (das könnte uns mit unserer CD „Nie Mehr!“ zum ersten Mal gelingen, wenn die Fans sie prima finden), doch zumindest hofften wir, die Kosten für die gerade erschienene CD „Weltunter“ wieder langsam reinzuholen. Eine CD, die für uns das größte finanzielle Wagnis in der Geschichte von ASP darstellte. Leider war es auch das Album, welches eben durch die Folgen der EFA-Pleite, trotz des wahnsinnigen Qualitätssprunges, weit hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb.
So war das tatsächlich. Wir hatten uns entschieden, zum ersten Mal ein professionelles Tonstudio in Frankfurt mit dem Endmix unseres Werkes zu beauftragen, eine Entscheidung, die wir gegen den Willen unseres Labels durchsetzten, weil klar war, dass die Band bei einem Misserfolg ein für alle Mal weg vom Fenster sein könnte. Völlig im Einklang mit unserem Label entstand allerdings die Idee, in Zeiten des wachsenden Download-Problems, sehr viel mehr noch die Möglichkeiten bei der Gestaltung unserer Cover und Booklets auszureizen, um „dem Endkunden etwas Greifbares zu vermitteln“, also ein nicht-downloadbares, haptisches und optisches Erlebnis zu bieten. Ihr Künstler seid doch soo kreativ. Nun, zum Glück kannte ich zu dieser Zeit schon Ingo Römling, mit dem ich daraufhin viele Abende darüber grübeln sollte, wie diese Welt, die bisher nur in meinem Kopf existierte, auf Papier, im Format von gerade mal ungefähr zwölf auf zwölf Zentimeter, zu bannen wäre. Und ich würde, auch wenn wir uns irgendwann nicht mehr leiden könnten und uns auf der Straße nicht mehr „Guten Tag“ sagen würden (was beides nicht der Fall ist), trotzdem nicht müde werden, ihn für seine herausragenden Verdienste in dieser Sache zu rühmen und ihm zu danken. Matthias hatte zudem sein komplettes restliches Erspartes in Studioequipment investiert, was soll ich sagen, wir waren alle total durch den Wind und verrückt bis zum oberen Anschlag, und als alle Hürden genommen waren, fehlte nur dieses Quäntchen Glück, um den Rock-Olymp zu erobern und uns da ein gemütliches Nest einzurichten.

Das Glück blieb aus und stattdessen passierte das oben Geschilderte.«

Auch Alex Storm, der Chef des ASP-Labels "Trisol Music" erinnert sich an diese turbulente Zeit:

»Ich erfuhr direkt am Morgen des 1. März 2004 vom Insolvenzantrag der EFA Medien GmbH. Ein Urgestein der Branche und der Vertrieb, mit dem ich seit 1994 zusammenarbeitete. Abgesehen von dem plötzlichen Verlust und der traurigen Tatsache an sich war das größte Problem, dass es keinerlei Informationen gab. Es wurde, wie bei solchen Dingen üblich, ein Insolvenzverwalter bestellt, der erst einmal "seinen Daumen auf alles drauf hatte".
Um es konkreter bzw. bildlicher darzustellen: Es war nicht klar, ob genügend Insolvenzmasse vorhanden war, dass der Vertrieb überhaupt weitergeführt werden konnte. Der Tonträgerhandel, der nach gewissen Fristen CDs wieder retournieren darf, bestellte von einer Sekunde auf die andere keine CDs mehr bei EFA, sondern stellte nur noch sog. "Retourenanträge". Die Inhaber der Läden hatten einfach Angst, auf manchen CDs sitzenzubleiben, die sie dann später nicht mehr retournieren können. Mit anderen Worten: CDs, auch wenn diese kontinuierlich gut abverkauften, wurden auf einmal retourniert. Und damit eben auch ASP-CDs. Das heißt aber auch wiederum, dass der Insolvenzverwalter von den retournierten CDs das Geld von mir zurückhaben möchte und ich wiederum die Lizenzen von ASP. Das hat ASP und mir fast das Genick gebrochen.
Doch das war noch lange nicht alles: Da EFA nicht nur CDs auf Kommissionsbasis verkaufte, musste der Insolvenzverwalter erst einmal klären, welche CDs auf Kommissionsbasis verkauft wurden und welche CDs EFA für den Vertrieb auf Rechnung gekauft hatte. So lange das nicht geklärt worden war, erhielt ich sämtliche ASP-CDs auch nicht aus dem EFA-Lager zurück. Und dass das bei mehreren 10.000 Artikeln Monate dauern kann, bis der Insolvenzverwalter alles einzeln überprüft hat, kann man sich leicht vorstellen.
Zusammengefasst: Keine ASP-CDs im Handel. Ganz im Gegenteil: Es kamen nur Retouren und die CDs konnten bzw. durften erst einmal nicht über einen neuen Vertrieb verkauft werden. Das war eigentlich das Ende.
Die einzige Chance, die ich noch sah, war die übers Knie gebrochene Veröffentlichung der "Interim Works Compendium", eine CD, die ASP nie wollten und die ich gegen den Willen von ASP durchgedrückt habe. Was mir heute immer noch sehr leid tut ...«

Und so geschah es. ASP ließen sich zu einer Art Best-Of-Raritäten-Compilation überreden, die "Interim Works Compendium", um den finanziellen Fall von Trisol abzufedern. Eine Best-Of nach erst drei Alben zu veröffentlichen ist in der Szene sicherlich ungewöhnlich. Hat man denn überhaupt schon genug gutes Material dafür?

Es wurde ein Doppelalbum.

Die Musikindustrie ist also in einer Krise. Kein Label, sondern die Computerfirma Apple führte 2004 den iTunes-Music-Store in Deutschland ein. Und ASP hatten praktisch zeitgleich ihren eigenen Download-Shop programmiert und online gestellt. Neue Zeiten, neue Wege. Möge sich jeder ASP-Fan seine ganz eigene "Best-Of" zusammenstellen und auf CD brennen. Nach einem erfolgreichen Testlauf stellten ASP den Download-Shop aber wieder offline, weil sie noch eben schnell die Verwertungsabwicklung mit der GEMA klären wollten. Konnte ja nicht so kompliziert sein und ließe sich sicherlich schnell klären ...