Schnell gerät in Vergessenheit, wie rasant der technische Fortschritt in den letzten Jahren voranging. Umso charmanter ist es, sich an all die Kleinigkeiten zu erinnern, die heute selbstverständlich sind, damals jedoch einiges an Erfindungsgeist und Improvisationstalent erforderten.
Das erste Studio richtete Matze in einem Souterrain-Raum ein, der einem seiner Ex-Mitstreiter bei Gabi Mohnbrot gehörte. Dass dies nicht der einzige Berührungspunkt für Oliver "Himmi" Himmighoffen mit der Band ASP sein sollte, konnte damals noch keiner ahnen.
Sofort machte man sich an die Aufnahmen einer 3-Track-Demo-CD. Das allerdings war für die beiden Musiker ein absolutes Novum, denn früher hatte man die guten alten Demo-Tapes, und ein „Je-Nach-Bedarf-Herstellen“ von CDs war 1999 noch viel weniger selbstverständlich.
Die CD musste im Presswerk vervielfältigt werden: kein CD-Brenner, ein altes Mikrophon, ein völlig überforderter Computer und Eierkartons an der Wand. Man nahm und benutzte eben zur Produktion, was man hatte.
Seit Jahren hält sich ein internes Gerücht, nachdem es zu einer kleinen, scherzhaften Auseinandersetzung zwischen Matze und Asp kam: Ersterer wollte lieber keine Gitarren auf den Aufnahmen einsetzen und der Andere musste ihn erst dazu überreden: mit einem Zehner (10 deutsche Mark!),
...welcher allerdings nie gezahlt wurde.
Die entstandene Promo-CD wurde ausschließlich an Labels und Musikverlage verschickt und an Szene-DJs verteilt. Von den Plattenfirmen gab es die immer gleichen Absagen in mehr oder weniger freundlichen Formulierungen („passt nicht in unser Programm“). Dafür gab es von den DJs sehr gute, wenn nicht gar euphorische Meldungen. Gerade der schmissige Ohrwurm Sing Child, mit seinem düster-folkigen Über-Refrain wurde auf den Tanzflächen mit Begeisterung aufgenommen. ASP hatten ihren ersten echten „hearers choice club hit“, schon bevor es eigentlich richtig losging.
Asp erinnert sich:
»Man kann sagen, dass damals im Kleinen exakt das passiert ist, was die Band heute noch im größeren Stil erlebt: Von den Medien und den großen Firmen weitgehend ignoriert, setzten wir uns bei den Hörern irgendwie trotzdem durch. Gefällt mir.«
Ein Händchen für griffige Slogans bewies man sofort, so z.B. mit der Promo-Aktion „Hast du mich vermisst?“, bei der man massenweise Aufkleber in den Tanztempeln platzierte und neben dem Slogan nur die eigene Internetadresse bewarb.
1999. Nicht lange her und dennoch erscheint es, als sei dies die Steinzeit des World Wide Web gewesen. Viel ungewöhnlicher als heute war es damals, eine Bandhomepage zu besitzen, viel weniger inflationär deren Gebrauch zur Verbreitung von Musik, was nur wenige Jahre später zum „guten Ton“ gehörte. ASP zeigten sich hier zugleich interessiert und innovativ und erkannten schon früh das unglaubliche Potential, welches das Internet für Musiker bot. Man hatte die Vorraussetzung geschaffen, dass sich im darauffolgenden Jahr ein Mann namens Alexander Storm auf diese Webseite verirren sollte. Ein folgenschwerer Klick.
Die Internet-Zügel nahm in der ersten Zeit übrigens ein weiterer Ex-Mitstreiter bei Gabi Mohnbrot in die Hand: Andreas "Tossi" Groß.
Und live? Nein, das Live-Spielen war gar nicht geplant. Sowohl Asp als auch Matze hatten das deutliche Gefühl, genug Jugendzentren und schmutzige Clubs für mehrere Musiker-Leben gesehen zu haben und man wollte erstmal „in Ruhe Musik machen“.
Ein Vorsatz, der nicht lange hielt.
Genau drei Songs lang.