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Im Duett mit dem Schwarzen Schmetterling

Die Geschichte einer Band ist auch immer die, der sie begleitenden Presse. Ist diese bei einem Debüt-Album meist noch gnädig, zeigt sie ihre Krallen bei weiteren Veröffentlichungen und steigendem Erfolg in aller Schärfe. Doch ASP wären nicht ASP, wenn sie sich nicht von Anfang an der Engstirnigkeit des subkulturellen Konservatismus ihre künstlerische Vielseitigkeit entgegengesetzt hätten.

 

Rasant ging es schließlich bei ASP weiter. Wie erwähnt veröffentlichten ASP am 26. Oktober 2001 ihr zweites Album:

:Duett – der Schwarze Schmetterling Teil 2

:Duett - Cover

:Duett - Flyer

Asp erinnert sich im Texte-Buch Horror Vacui an die Arbeiten daran:

Als sich im Laufe des Jahres 2000 abzeichnete, dass unserem Debut-Album „Hast du mich vermisst“ ein überraschend großer Erfolg beschieden sein sollte, entschied unser Label Trisol, dass, gemäß dem guten alten Major-Credo „Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist“ schnellstmöglich ein Nachfolger produziert werden müsse. Diese Idee kam uns damals ungelegen, denn wir hatten uns mit dem Erstling doch sehr verausgabt. Auch glaubten wir zu diesem Zeitpunkt ja noch, dass wir durch den Verkauf der ersten Platte ausreichend Gewinn erwirtschaften könnten, um die zweite zu finanzieren. Darüber haben die Beteiligten sehr gelacht und den verblüfften Musikern erst einmal erklärt, wie der Hase wirklich läuft. Ja, schon damals wurde uns der Untergang des titanischen Luxusliners „CD-Verkäufe“ in dramatischen Szenarien geschildert, die jeden Hollywood-Drehbuchautoren zu Tränen gerührt hätten. Kurz und metaphernlos: Wir ließen uns überreden und ein Freund lieh uns das Geld für die :Duett.

Nichtsdestotrotz war die Deadline viel zu früh und dementsprechend ist das Album für mich persönlich kein schlechtes, aber ein zwiespältiges Album geworden (was natürlich im Nachhinein perfekt zum Thema des Zerissenseins und der Vermutung des Protagonisten passt, unheilbar geisteskrank zu werden, schizophren zu sein). Wie dem auch sei. Wir legten gezwungenermaßen mit einer Spontaneität los, das Album zu verwirklichen, die so manchen „Magischen Moment“ im Studio erzeugte. Vielen der Songs wohnt deswegen, meiner Meinung nach, eine besondere Kraft inne und mit Schwarz, Die kleine Ballade vom Schwarzen Schmetterling, Kokon und Besessen finden sich hier einige Evergreens wieder, die wir jahrelang noch gerne live spielten und teilweise noch immer spielen. Mit Maybe fand sich auch erstmals die fast punkige Attitude auf einem ASP-Album, die ab da eine weitere, sehr beständige Facette des ASP-Kosmos sein sollte. Für andere Songs hätten wir aber noch einige Wochen gebraucht, um sie zur Blüte zu führen, was man auch daran merkt, dass mir bestimmte musikalische Themen keine Ruhe ließen (Tiles), weil ich sie schlicht für noch weniger vollkommen hielt, als wir es sowieso schon immer tun, weil uns kein Abgabetermin weit genug entfernt sein kann, um an den Stücken weiterzufeilen. Das beste Beispiel war Versuchung, der Song, der eigentlich ein Höhepunkt des Albums werden sollte, den wir aber nicht wirklich zum grooven kriegten und den ich auch nicht wirklich gut gesungen habe, weil wir zu spät feststellten, dass er nicht in der perfekten Tonlage für meine Stimme war und wir keine Zeit mehr hatten, ihn zu transponieren und die echten Instrumente neu einzuspielen. Und natürlich fehlte auf der CD die Ballade Du bist nie allein, die wir erst viel später für die Re-Release-Version der CD aufnehmen konnten und auch Hässlich schaffte es erst auf die Weltunter, worüber ich aber mittlerweile mehr als froh bin. Das war sehr unbefriedigend und noch viele Jahre lang mussten wir uns von unserem Label anhören, dass die zweite Platte weit hinter den „Verkaufserwartungen“ zurückgeblieben sei. Was, glaube ich, ein klein wenig geflunkert war, um uns nur weiter anzuspornen.

Was aber die :Duett wirklich auszeichnete, war, dass sie ein wirklich rundes Konzeptalbum war. Die Hast du mich vermisst klang dagegen noch viel mehr wie eine Aneinanderreihung von Einzelstücken, die zwar durch ein Thema miteinander verbunden waren, aber das übergreifende musikalische Konzept war einfach nicht wirklich da. Ganz anders bei :Duett. Es ist als homogenstes Album ein echter Wegbereiter für alles, was später kam, gewesen, worauf wir getrost aufbauen konnten, um später deutlich komplexere Konzepte anzugehen.

Ein zusätzlicher Aspekt kam noch dazu: Mit dieser ASP-Platte konnte ich mich persönlich von vielen musikalischen und persönlichen Altlasten befreien, danach war ich bereit, einige sehr entscheidende Schritte zu wagen.

Der Song, der bei den Arbeiten am Album als erster fertig wurde, war Die kleine Ballade vom Schwarzen Schmetterling. Ein ziemliches Lausbubenstück. Von der Presse gab es, wie so oft, erstmal Schelte: Simpel gestrickt sei der Text, fast kindlich und heruntergeleiert.

Asp erinnert sich immer wieder gern:

»Ich finde es im Nachhinein wahnsinnig interessant, wie verschieden die Leute auf eben diesen Text reagiert haben. Es existiert tatsächlich eine tiefe Kluft zwischen Kritikern und Fans, die Matthias und mir wirklich schon immer eine tiefe Befriedigung und spitzbübische Freude bereitete. Wir leisteten uns so manche Eulenspiegelei in der ASP-Geschichte, arbeiteten äußerst ernsthaft daran, uns nicht zu ernst zu nehmen und immer der goldenen Regel zu folgen: Immer instinktiv bleiben, immer Zuhörer bleiben.«

Was Die kleine Ballade vom Schwarzen Schmetterling angeht, so hatten die Kritiker teilweise recht. Sie waren jedoch scheinbar nicht willens (oder nicht fähig) zu verstehen, dass sich ASP dadurch bestätigt fühlten. Die Lyrics spiegeln auf ihre Art die kindliche Hilflosigkeit wider, mit der wir uns den großen Fragen des Lebens immer wieder stellen müssen. Der Text erinnert deshalb mehr an Wilhelm Busch als an Gottfried Benn, ähnelt mehr einem Abzählreim als „neuer deutscher Todeskunst“. Dem herrschenden Zeitgeist in der Szene entsprach das ganz und gar nicht, der Song wurde (und wird) dementsprechend skeptisch beäugt.

Das half. ASP-Songs polarisierten deutlich. Die kleine Ballade setzte sich auf der Tanzfläche durch und der Club-Besucher schien aus dem Bauch heraus und durch die Beine zu verstehen, was den Analysten nicht in den Kopf wollte. Text und Musik vereinten sich zu einer Art Mantra, verweigerte sich der Song doch jeglicher Standard-Pop-Struktur – er besitzt nicht einmal einen richtigen Chorus.

Matthias hierzu augenzwinkernd:

»Es gibt 'ne Menge Kleingeister da draußen, die, wenn sie auf klare Strukturen treffen, diese für durchschaubar halten und folgernd in ihrem Urteil dann die Begriffe 'einfach' und 'primitiv' verwechseln. Ein Satz, den sich sicherlich schon so mancher Künstler anhören musste, ist 'Das kann ich auch'. Und ich antworte darauf immer wieder gerne:
'Na, dann mach mal!'«

Fast zwangsläufig entstand später in Zusammenarbeit mit dem langjährigen Freund und Illustratoren Pit Hammann das Kinderbuch für Erwachsene zum Lied, in der erstmals die komplette Textfassung veröffentlicht wurde und welches 2009 in besonders ansprechender Form und mit einer 1-Track-CD wiederveröffentlicht wurde.

Und doch ist Die kleine Ballade vom Schwarzen Schmetterling nur ein einziger Song auf dem Album und wurde hier auch nur exemplarisch für seine Liedgefährten auf :Duett herausgestellt. Um eine lange Geschichte kurz zu fassen: Im Jahr 2001 schienen nur zwei Arten von Hörern übrig geblieben zu sein: Diejenigen, die ASP toll fanden und diejenigen, die alles, was die Jungs aus Frankfurt anstellten, für Quatsch hielten.

Dies gipfelte im schrägsten Verriss der Bandgeschichte, welcher in der damals noch sehr viel populäreren Szenezeitschriften-Legende „Zillo“ stattfand. Dort wurde unter der Gürtellinie mal so richtig ausgepackt (wenn dieses schlechte Wortspiel in diesem Zusammenhang erlaubt ist). Neben Plagiatsvorwürfen und Casting-Band-Vergleichen wurde natürlich auch vom Fachmann konstatiert, beim „Versuch der Versdichtung“ verlöre man sich in „peinlicher Reimerei“.

Keine schlechte Ausgangsbasis für das, was in der Rock- und Popwelt gemeinhin als größte Bedrohung einer Künstlerkarriere gilt:

Das dritte Album.